Es ist sehr schade, dass Sie im Moment, wegen der Covid-19-Krise, unsere Fastentücher nicht in unserem Kirchenraum persönlich bewundern können. Für alle, die noch nicht die Gelegenheit hatten, sie zu sehen, bloggen wir hier die Fotos unserer Ausstellung und eine kleine Information.

Das Fastentuch symbolisierte Trauer und Buße der Gemeinschaft der Gläubigen. Zugleich sollte es deutlich machen, dass die Gottheit Christi sich während des Leidens zu verhüllen scheint.- Von seiner äußeren Erscheinung brachte man es sowohl mit dem Leichentuch Christi als auch mit dem velum templi, dem Vorhang im Tempel, in Verbindung.

Später wurden die Tücher bemalt, Szenen aus dem Alten und Neuen Testament sollten in der Fastenzeit in einer Art Armenbibel den Gläubigen die Botschaft vom Leiden und Sterben Christi deutlich vor Augen stellen.

Eines der größten und bedeutendsten Fastentücher ist das aus Gurk in Kärnten aus dem Jahr 1458, das 99 Felder mit 50 alttestamentlichen und 49 neutestamentlichen Szenen aufweist; das größte ist in Kirchberg am Wechsel zu sehen.

Die Tradition des Fastentuchs oder auch Hungertuchs oder Fastenvelums wurde bei uns vor über 40 Jahren wieder neu entdeckt.

Misereor, 1958 als r.k. Hilfswerk gegen Hunger und Krankheit gegründet, ruft seit seiner Existenz zu gezielten Fastenaktionen auf – Entwicklungszusammenarbeit kann keine Einbahnstraße sein, oder anders gesagt: es genügt nicht, dass wir im reichen Norden von unserem Überfluss für die Armen im Süden spenden – Im Sinne eines partnerschaftlichen Austausches sollen die Fastentücher Impulse aus der ganzen Welt  in unsere eigene Welt bringen. Sie sollen Zeugnis sein des christlichen Glaubens und des kulturellen Reichtums in den jungen Kirchen

  • indem sie das ungeschminkte Gesicht unserer Einen Welt zeigen,
  • indem sie uns die Identifikation Jesu mit den Armen vor Augen stellen,
  • und indem sie einladen zu einem befreiten Leben aus der Erlösung durch Jesus Christus

Schon um das Jahr 1000 wurden von Aschermittwoch bis Karfreitag der Altarraum bzw. die Altarbilder mit einem großen, meist weißen Tuch verhängt. Es war dies wohl ein Akt der Solidarität. Denn früher wurden die Büßer am Aschermittwoch von allen heiligen Handlungen ausgeschlossen, bis sie am Gründonnerstag, dem Versöhnungstag, wieder an der Eucharistie teilhaben durften.

Mit dem Empfang des Aschenkreuzes haben sich ab dem 11. Jahrhundert alle Gläubigen als Büßer bekannt – so musste auch allen der Blick auf das Allerheiligste entzogen werden.

Das neue Hungertuch von MISEREOR, ein abstraktes Werk des deutschen Künstlers Uwe Appold, lädt uns ein zu schauen, zu meditieren, zu hören und Stellung zu beziehen. 

Zu schauen, welche Materialien und Farben, Elemente und Symbole vom Künstler verwendet wurden. Wahrzunehmen, dass der schwebende, goldene Ring leicht vom Zentrum nach links ver-rückt und das Haus darin zur Seite hin offen ist – Hinweise darauf, dass etwas aus der Balance geraten, im Fluss, unfertig, gefährdet ist. 

Zu hören: auf den Schrei der Armen und die Stimme der ausgebeuteten Erde. 
Sich Gedanken zu machen über die Zukunft unseres Planeten und den Beitrag, den wir dazu leisten können. 

Sich dem Anruf Gottes zu stellen: 
Mensch, wo bist du? Was tust du? Was zerstörst du und was fügst du zusammen? Was hast du geschaffen oder versäumt? Welche Aufgabe erkennst du für dich? Wo stellst oder entziehst du dich deiner Verantwortung für die Schöpfung und die Mitwelt? 
Klar – dieses Werk ist in seiner Offenheit für unterschiedliche Deutungen eine „Zumutung” – positiv ausgedrückt: eine Herausforderung. 
Welche Zugänge? Welche Antworten geben wir auf die Frage: Mensch, wo bist du?
 
Uwe Appold: „Ich wünsche mir, dass die Menschen meinen Arbeiten mit ihrer persönlichen Lebenserfahrung begegnen und ihre eigenen Geschichten einbringen in das, was ich gemalt habe.“ 

In unserer Ausstellung haben wir Tücher aus unterschiedlichen Jahren hängen, die wir alle auch schon mehrmals bei uns verwendet haben. Dazu auch zwei, die nicht in die Reihe von Misereor passen:
Die Darstellung des Abendmahls von Leonardo da Vinci hat uns schon einige Jahre als Fastentuch begleitet.
Das Tuch aus Afrika hat uns ein Ehepaar aus der r.k. Nachbargemeinde mitgebracht, die längere Zeit in Afrika als Missionare tätig waren. Dieses Tuch hängt das ganze Jahr über in unserer Kapelle.

Detaillierte Beschreibungen finden Sie unter: http://www.albertusmagnus-archiv.de/text/hunger.htm

Hungertuch aus Äthiopien (1978 – Alemayehu Bizuneh). Meditieren heißt in die Mitte gehen. 

Bei der Betrachtung des Hungertuches ist dies zuerst einmal ganz wörtlich gemeint. Die Bilderfolge beginnt oben links und führt spriralförmig auf die Mitte zu. 

So wie der Aufbau ist auch der Inhalt der Bilder. Erzählt werden Ereignisse aus der Heilsgeschichte. Etwas vom dramatischen Geschehen zwischen Gott und den Menschen wird spürbar. Und diese Geschichte geht einer Mitte zu, dem leidenden Christus entgegen. ER ist eingetreten in unsere Geschichte. 

Nicht irgendwo, sondern an der Seite der Kleinen, der Verfolgten, der Geschlagenen. Das ist die Mitte. Und diese ist von Beginn an da. Das Blut des Herrn durchströmt, durchpulst das ganze Bild, holt alles und führt es hin zum Kreuz, zum neuen Leben.

Hoffnung den Ausgegrenzten (1996 Sieger Köder)

Die ausdrucksstarken fünf Bilder des Tuches sind in Form eines Triptychons gestaltet: 

In der Mitte ist Jesus in seinem Sterben dargestellt. Der gequälte, geschundene und in die Leiden der Zeit eingebundene Körper hängt vor undurchdringlicher Finsternis. Der Kopf ist nach hinten gefallen, die Augen verschwinden im Dunkel. Im geschundenen Gottessohn erkennen wir alle leidenden, gedemütigten und ausgegrenzten Menschen. „Ecce homo“, sagte Pontius Pilatus mit Blick auf den gemarterten Jesus: „Seht den Menschen!“ angesichts der Finsternis, der Gottesferne, die zur Entfremdung seiner selbst und von Mitmenschen und Mitgeschöpfen führt: Leiden, Tod, Zerstörung und Gewalt sind die Folgen. Das Heilswirken Gottes selbst wird so ins Bild gesetzt und durch die beiden „Flügel“ beispielhaft dargestellt. 

Sein Wirken in alt- bzw. neutestamentlicher Zeit, in der Geschichte gibt Hoffnung (die beiden linken bzw. rechten Bildszenen). Der Künstler überspielt nicht etwa leichthin das Leiden aus der Glaubenserfahrung der Auferstehung. Die Wucht des ans Kreuz wirkt in ihrer Schroffheit in die farbenfrohen Bilder hinein. Christen, die sich vom Auferstandenen gehalten wissen, stehen zu den Ausgegrenzten und Leidenden, so wie sich Gott in Jesu inkarnierte und am eigenen Fleisch die Leiden durchtrug. 

Umweltzerstörung (Bild links unten) steht der rettenden Arche Noah und dem Regenbogen als Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Menschen gegenüber. 

Mirjam (Bild l. o.), in deren Gewand die Farben des Regenbogens eingewoben sind, tanzt gegen den Stacheldraht der Sklavenhaltergesellschaft an. Der Tanz Israels gilt dem befreienden Gott nach dem Durchzug durch das rote Meer.  Der Teich von Betesta (Bild r. u.), an dem die Kranken versammelt sind, wird zur Quelle der Hoffnung, weil in sein Wasser die Spur des Leidensantlitzes Jesu eingeschrieben ist. Das Erlösungs- und Befreiungswerk Jesu Christi gipfelt in der Mahlgemeinschaft, welche die Ausgegrenzten umschließen will. Die Heilsspur des Auferstandenen und Brotbrechenden wirkt in seine Kirche und durch diese in die Welt hinein, damit alle Völker, die sich am Familientisch Gottes versammeln, wirkliche Gemeinschaft und „Leben in Fülle“ erfahren.

Hoffnung den Ausgegrenzten Die ausdrucksstarken fünf Bilder des Tuches sind in Form eines Triptychons gestaltet: In der Mitte ist Jesus in seinem Sterben dargestellt. Der gequälte, geschundene und in die Leiden der Zeit eingebundene Körper hängt vor undurchdringlicher Finsternis. Der Kopf ist nach hinten gefallen, die Augen verschwinden im Dunkel. Im geschundenen Gottessohn erkennen wir alle leidenden, gedemütigten und ausgegrenzten Menschen. „Ecce homo“, sagte Pontius Pilatus mit Blick auf den gemarterten Jesus: „Seht den Menschen!“ Ja, seht den Menschen angesichts der Finsternis, der Gottesferne, die zur Entfremdung seiner selbst und von Mitmenschen und Mitgeschöpfen führt: Leiden, Tod, Zerstörung und Gewalt sind die Folgen. Das Heilswirken Gottes selbst wird so ins Bild gesetzt und durch die beiden „Flügel“ beispielhaft dargestellt. Sein Wirken in alt- bzw. neutestamentlicher Zeit, in der Geschichte gibt Hoffnung (die beiden linken bzw. rechten Bildszenen).

Der Künstler überspielt nicht etwa leichthin das Leiden aus der Glaubenserfahrung der Auferstehung. Die Wucht des ans Kreuz geschlagenen „Menschensohnes“, des leidenden „Gottesknechts“ (Jes 53, 4f) wirkt in ihrer Schroffheit in die farbenfrohen Bilder hinein. Gewalt- und Leiderfahrung in der Geschichte werden dialektisch im Glauben ausgehalten: Christen, die sich vom Auferstandenen gehalten wissen, stehen zu den Ausgegrenzten und Leidenden, so wie sich Gott in Jesu inkarnierte und am eigenen Fleisch die Leiden durchtrug. Umweltzerstörung (Bild links unten) steht der rettenden Arche Noah (Gen 6-9) und dem Regenbogen als Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Menschen gegenüber.

Mensch, wo bist du? (2019/2020 Uwe Appold)

Mit dieser Frage sucht Gott die ersten Menschen im Paradies. Das Hungertuch lädt ein, im Entdecken und Entschlüsseln unsere eigenen Antworten zu finden.

Die Frage Gottes fordert uns heraus: Wo stehst du und wofür stehst du auf? Wer bist du? Eine Standortbestimmung. Eine Neuausrichtung. Eine Frage, die in den Kern der Verantwortung eines jeden Menschen zielt.

Der Künstler Uwe Appold hat mit Erde aus Jerusalem gearbeitet, die den goldenen Ring und das „gemeinsame Haus“ mit der offenen Tür trägt: Im Zentrum steht die Zusage Gottes, dass seine Liebe besonders die Ausgegrenzten mitten hinein holt.

Biblische Frauengestalten – Wegweiser zum Reich Gottes (1990 – Lucy D’Souza)

Als Glaubende sind wir herausgefordert, zu entdecken, welche Würde und Berufung den Frauen von Gott geschenkt ist und wie ein erlöstes Verhältnis zwischen Frauen und Männern aussieht. 

Die Bilder des Hungertuches zeigen biblische Frauengestalten, deren vielfältige Gotteserfahrung für unser aller Leben und für die heutige Zeit Frohe Botschaft sein kann.

Gottes Schöpfung bewahren – damit alle leben können (2009 – Tony Nwachukwu / Nigeria). 

Der globale Klimawandel ist bereits Realität. Wir spüren seine Auswirkungen buchstäblich am eigenen Leib: Hitze und Dürre, Stürme und Starkniederschläge, Gletscherrückgang und Überschwemmungen, Ernteausfälle und Ausbreitung von Krankheiten. 

Als diejenigen, denen die Schöpfung als Leihgabe von Gott anvertraut worden ist, tragen wir Menschen Verantwortung für sie. Das Misereor-Hungertuch 2009 lädt sie ein, sich während der Zeit des Fastens und der Besinnung zwischen Aschermittwoch und Ostern mit dieser Verantwortung auseinander zusetzen.

Barmherzigkeit und Gerechtigkeit (1998).

Im Mittelpunkt des Hungertuches steht ein spätmittelalterliches Meditationsbild aus dem Umfeld des Hl. Nikolaus von Flüe. 

Mittelpunkt des Bildes ist Christus, umgeben von hellen Strahlen, die auf ihn hinweisen oder von ihm ausgehen. Von IHM wird alles zusammengehalten; von IHM geht alles aus, auf IHN läuft alles zu.  In den Medaillons des alten Meditationsbildes weisen Symbole hin auf die Werke der Barmherzigkeit der christlichen Tradition. Die neuen Bilder schreiben die Dynamik in unsere Gegenwart hinein weiter. Diese Bilder stehen für die Taten der Gerechtigkeit.

Batik aus Afrika
Reproduktion des „Abendmahls“ von Leonardo Da Vinci