Liebe Interessierte am Nach-Denk-Brief!
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Die Furt – der Fluss des Segens

Irgendwie passt es nicht zusammen – eine Landschaft mitten im Gebirge, ein Bachabbruch, eine kleine schmale Brücke für Wanderer, und mitten drin ein Auto – ein normales Stadtauto. – Das Wasser spritzt, der Wagen fährt hinüber, oder muss man hindurch sagen? Eine Furt, zu gefährlich für Menschen, da das Wasser einen ganz schönen Drive hat.
Als die Bibelschmuggler diesen Weg durch die Niederen Tauern gesucht haben, mussten sie wohl durchs Wasser gehen.

In biblischen Zeiten gab es noch keine bequemen Brücken. Da musste man den Weg so finden.
1 Mos 32,23ff Und Jakob stand auf in der Nacht und nahm seine beiden Frauen und die beiden Mägde und seine elf Söhne und zog durch die Furt des Jabbok. Er nahm sie und führte sie durch den Fluss, sodass hinüberkam, was er hatte. Jakob aber blieb allein zurück. Da rang einer mit ihm, bis die Morgenröte anbrach. Und als er sah, dass er ihn nicht übermochte, rührte er an das Gelenk seiner Hüfte, und das Gelenk der Hüfte Jakobs wurde über dem Ringen mit ihm verrenkt. Und er sprach: Lass mich gehen, denn die Morgenröte bricht an. Aber Jakob antwortete: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn … Er sprach: … du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen … Und er segnete ihn daselbst.

Eine der bewegendsten Erzählungen unserer Bibel: Ein Mensch kämpft mit – ja es ist wohl Gott.
Jakob, einer der größten Gauner unserer Bibel, steht an der Furt über den Jabbok. Es wird Nacht. Es gibt kein Zurück. Sein Bruder kommt ihm schon entgegen mit 400 Mann. Da wird Jakob überfallen. Ein langer schweigsamer Kampf auf Leben und Tod tobt durch die Nacht. – Nun erkämpft er sich den Segen, der nicht erschlichen ist. Segen ist keine Erfolgsgarantie, weder für Reichtum, noch für Gesundheit, noch für Erfolg. Segen ist die Zusage, dass wir Gott begegnen können – können wohlgemerkt! Eine große Option, die alles offen hält für die starken Kämpfenden, aber auch für die Müden, die Angeschlagenen, die Verletzten und die vielen, die durch das Leben hinken. Eine Lebensmöglichkeit, die Jakob am Fluss – mitten im Fluss des Lebens geschenkt wird.

Schon zuvor hatte Jakob einen bewegenden Traum: 1 Mos 26,16 ff … Jakob sprach: Fürwahr, der HERR ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht!… Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels. Er träumte von der Leiter bis in den Himmel.
Beide Stellen malt Chagall immer wieder, hoffend, betend, voll Angst und Zuversicht.
Nach nun 5 Monaten träumen wir alle vom Ende der Angst und dem Charme eines neuen Anfangs. Auch wir träumen vom offenen Himmel, von den Engeln, die auf- und niedersteigen. Und wir träumen davon, immer im Spiel zu bleiben, mit einer zweiten, dritten oder vierten Chance.

Joh 1,51 Jesus spricht: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn. Aufgrund dieses Verses deuten die Kirchenväter die Himmelsleiter auf das Kreuz Christi. Nur durch dieses steht uns der Himmel offen, sein Kreuz ist der Durchgang zum Paradies: Leiden Tod und Auferstehung Christi – so könnten wir es formulieren – die Furt ins neue, ins Ewige Leben! Welch großartiges Bild!

Chagall stellt an seinem Todestag sein letztes Bild fertig. Es zeigt ihn als Engel, malend. Sein Nachtgebet lese ich als Ostergedicht, das den Kampf von Dunkel und Licht ausdrückt, den Kampf aller Jakobs dieser Erde an ihren Jabbok-Furten, zweifelnd, träumend, und doch gewiss:
Mein Gott, für das andere Licht, das du meiner Seele gegeben hast, Dank!
Mein Gott, für die Ruhe, die du meiner Seele gegeben hast, Dank!
Mein Gott, die Nacht ist da. Du wirst meine Augen schließen, bevor es Tag wird,
und ich werde von Neuem malen Bilder für dich von der Erde und vom Himmel.

Eure
Ingrid Vogel