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Wer tanzt mir denn auf der Nase rum? – Kurioses 2

Diese Redewendung hat einen schlimmen Hintergrund: sie gründet auf den Foltermethoden von Tierdressur. Besonders Bären hatten darunter zu leiden, dass man ihnen Ringe durch die Nase bohrte, an denen sie dann geführt wurden. Auch andere Folterinstrumente (heiße Eisenplatten für die Tatzen) benützte man, um Tanzbären aus ihnen zu machen. Dompteure bemühten sich bereits vor ca. 5000 Jahren, Wildpferde zuzureiten, Löwen vor ihre Karren zu spannen und Affen zur Belustigung vorzuführen.

Wer aber tanzt mir auf der Nase herum?

Sind das vielleicht die Kinder? Die können das schon sehr früh – und sie merken genau, wo die Schwachstellen der Erwachsenen sind – bei jedem andere! Vielleicht sind es aber die Kolleginnen in der Firma, oder die Chefin, der Hausmeister, die Nachbarn… Auswahl gibt es ja genug. Was sie tun? Im Grunde alle dasselbe, sie üben Macht über mich aus und versuchen, mich gefügig zu machen – wie die Tanzbären – damit ich nach ihrer Pfeife tanze. Oft wird ein Machtspiel daraus, mitunter wird mit unfairen Mitteln gekämpft wie Erpressung, Tränen, Drohungen u.v.m., immer aber bleibt das Gefühl, ich bin nicht Herrin meiner selbst.

Manche verwenden meine Nase als Abflugrampe –

wie diese Störche. Übertragen könnte das heißen: Indem sie mich treten und kleinhalten, schaffen sie sich Positionen, bei denen sie mich ausstechen.
Die Frage ist nur: spiele ich mit. Die Statue kann sich nicht wehren. Aber ich kann das schon.

Viele Stellen in unserer Bibel berichten über Gewalt, über ausgeübte Macht,

darüber, dass die einen den anderen auf der Nase herumtanzen, sie hinters Licht führen und so meist einen Vorteil für sich herausschlagen. Und manchmal schildert unsere Bibel auch schlimme Verbrechen, die weit das überschreiten, was man mit der Redewendung von der Nase meinen könnte.
Ja, unsere Bibel ist kein Heiligenlexikon. Und übrigens, gerade auch dort kommen Gewaltgeschichten zuhauf vor.

Die Bibel ist ein Buch des Lebens mit allem, was das Leben ausmacht.

Mord und Totschlag, Inzucht und Vergewaltigung, Erpressung und viele andere Gewaltauswüchse werden nicht weggeleugnet, sondern beim Namen genannt. Die gänzliche Gewaltfreiheit ist erst für die eschatologische Welt verheißen.
Wir können damit unterschiedlich umgehen: die Bibel als ganze verdammen, weil sie doch ach so böse Dinge berichtet, die Verbrechensgeschichten zum Vorbild nehmen, nach dem Motto: wenn sogar dort dies und jenes geschieht, muss es erlaubt sein. Dazwischen liegt jede Menge an Deutung und Verstehen.
In der Bibel wird die Gewalt nicht glorifiziert, sie wird nicht als der legitime Weg beschrieben. Schon in der Tora ringen die Menschen um eine Verhältnismäßigkeit, die dem Umfeld der Bibel fremd war: 2Mos 21,24 Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß, … Nicht uneingeschränkte Rache sondern eine maßvolle Strafe sollte die Dinge wieder ins Lot bringen. Gewalt ist Asymmetrie und zerstört das Humanum – darum geht also zuerst mal um einen Ausgleich der Machtverhältnisse.
Die Bibel geht davon aus, dass jegliche Gewalt unter Menschen auch Gewalt gegen Gott ist.

Und das fängt schon dabei an, dass wir einem anderen auf der Nase herumtanzen! Feindesliebe und Gewaltlosigkeit stehen im NT als Nachahmungen Gottes im Zentrum – versuchen wir dies zu leben!

Eure

Ingrid Vogel