Liebe Interessierte am Nach-Denk-Brief!
Liebe Freundinnen und Freunde!
Die großen Freiheiten!
Du sollst nicht – du wirst nicht – nein, das machst du sicher nicht!
Sieben Mal beginnt der Satz im Hebräischen mit „Lo“, der stärksten Form der Verneinung im Hebräischen.
Sieben Mal wie ein rote Ampel – Halt – bis hierher und nicht weiter. Nur dreimal wird anders eingeleitet (bei den positiv formulierten Gebeten, nach unserer Zählung: 1, 3, 4). Die Ge – bote werden so gesehen eigentlich immer als Ver – bote verstanden. Dabei geht es weniger um das Verbot als um die positive Sicht des Lebens. Und das „Lo“ heißt genauer sogar, du wirst nicht, du hast es gar nicht nötig. Du hast die Freiheit, es nicht zu tun, so könnten wir auch sagen. Fulbert Steffensky nannte sein Buch: „Zehn Gebote – Anweisungen für das Land der Freiheit“. Oder wie andere es schon vor über 30 Jahren einfach sagten: die 10 großen Freiheiten. Wenn alle sich dran halten oder so zu leben versuchen, kann Leben gelingen.
„Er kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.“ Das wusste auch Friedrich Schiller (Wilhelm Tell). Nur wenn alle mitspielen, gibt es ein gutes Spiel, ein Miteinander, kein Gegeneinander.
So sind diese 10 Sätze Hilfen für ein entfaltetes Leben in Freiheit miteinander und mit Gott.
Schon beim ersten Gebot wird das deutlich:
2 Mos 20 heißt es: Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. Das Vozeichen ist Freiheit. Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten. Es ist aber auch Befreiung aus den Zwängen, die wir uns selbst auferlegen und die andere uns vorschreiben möchten.
Damit aber meine Freiheit nicht deine Freiheit ungebührlich einschränkt,
damit er sich nichts herausnimmt, was ihr schadet, braucht es Leitlinien für das Miteinander. Gerade in diesen Wochen mit dem Virus merken wir das so deutlich: gibt es nur die große Freiheit ohne Markierungen, wuchert die Sache aus. Gibt es strenge Regeln, sind sie in vielen Fällen unverhältnismäßig und nicht nachzuvollziehen.
So verwundert es nicht, dass genau diese so grundlegenden Regeln für das Miteinander der Menschen auch die Grundlage sind für die Menschenrechtskonvention. Anders als andere Gesetzessammlungen des Altertums ist der Dekalog nicht kasuistisch aufgebaut. Es sind die tiefen Grundregeln, ohne die das Überleben einer Gesellschaft nicht gesichert wäre.
Aus unterschiedlichen Erzählsträngen ergeben sich die in wesentlichen Grundzügen gleichen Formulierungen, die sowohl in 2 Mos 20 als auch in 5 Mos 5 überliefert sind.
Im Buch Exodus werden uns die Gebote als Teil der Befreiungsgeschichte erzählt. Das Volk zieht aus, das Volk murrt, das Volk braucht Regeln, das Volk braucht Vergewisserung. So stellt sich der Kontext in 2 Mos dar. Im Deuteronomium, 5 Mos geht es um die Erinnerung – 4,f7 Denn wo ist so ein herrliches Volk, dem Götter so nahe sind wie uns der HERR, unser Gott, sooft wir ihn anrufen? Und wo ist so ein großes Volk, das so gerechte Ordnungen und Gebote hat wie dies ganze Gesetz, das ich euch heute vorlege? … 14 Und der HERR gebot mir zur selben Zeit, euch Gebote und Rechte zu lehren, dass ihr danach tun sollt in dem Lande, in das ihr zieht, es einzunehmen. Bereits im Kapitel 4 wird vorbereitet: Das Volk, das nun ins gelobte Land einzieht, braucht die Erinnerung an den Bund… 31 Denn der HERR, dein Gott, ist ein barmherziger Gott; er wird dich nicht verlassen noch verderben, wird auch den Bund nicht vergessen, den er deinen Vätern geschworen hat … 45 Dies sind die Ermahnungen und Gebote und Rechte, die Mose den Israeliten kundtat, als sie aus Ägypten gezogen waren. Und im 5. Kapitel dann werden die Sätze mit kleinen Abweichungen wiederholt aus 2.Mos. Lassen auch wir uns erinnern an Gottes Bund mit uns!
Eure
Ingrid Vogel