Liebe Interessierte am Nach-Denk-Brief!
Liebe Freundinnen und Freunde!

Geh aus mein Herz und suche Freud!

Das Psychotherapeutenlied heißt es im Spaß unter den KirchenmusikerInnen. (Suche Freud) Was schnell gesagt als Witz gemeint ist, spiegelt aber eine tiefe Weisheit wider.
Paul Gerhardt schrieb das Lied in schwersten Zeiten, 1653, knapp nach dem großen Krieg und vielen persönlichen Schicksalsschlägen.

Es besingt die Schönheit der Natur, das neue Aufleben des Sommers, die große Vielfalt der Schöpfung.
Es besingt aber auch den Sommer der Ewigkeit, von dem die früheren Dichter und Sänger wussten, wie in dem Lied von Johann Walter:

Herzlich tut mich erfreuen die liebe Sommerzeit, wenn Gott wird schön erneuen alles zur Ewigkeit.

Das Lied, das zu den bekanntesten Liedern aus unserem Gesangbuch zählt, wird oft auch bei Beerdigungen gesungen, weil der Ausblick ins ewige Leben einen so wichtigen Aspekt in der Dichtung Paul Gerhardts und vor allem in diesem Lied einnimmt.
Was will doch wohl nach dieser Welt dort in dem reichen Himmelszelt und güldnen Schlosse werden. Strophe 9 oder in Strophe 10:
Welch hohe Lust, welch heller Schein wird wohl in Christi Garten sein! O wär ich da! O stünd ich schon, ach süßer Gott, vor deinem Thron 
(11) Gib, dass der Sommer deiner Gnad in meiner Seele früh und spat viel Glaubensfrüchte ziehe. (13)
Erwähle mich zum Paradeis und lass mich bis zur letzten Reis an Leib und Seele grünen. 
(15)

Im „Wegsingen“ der Sorgen, der Ängste und des Schmerzes kanndieses Lied tatsächlich therapeutische Wirkungen haben. Dabei geht es nicht um das Kleinreden oder gar das Wegleugnen. Paul Gerhardt kann fast haltlos loben und preisen, das Leben besingen, und die Schönheit preisen. Und dennoch kann er dafür aufmerksam sein, dass daneben, und zwar wirklich ganz dicht daneben, der Tod lauert.

Die Rituale der Sommersonnenwende machen Ähnliches deutlich.

Mit dem Feuer bitten die Menschen um eine gute Ernte und damit auch um den Segen Gottes für Künftiges – selbst wenn sie Gott nicht im Munde führen.

Übers Feuer zu springen, gehört natürlich auch zu dem Fest, es soll Unheil abwenden und böse Dinge jeder Art, es soll also apotropäische Wirkung haben. So nebenbei war es auch eine Mutprobe für die jungen Männer. Diese haben in früheren Zeiten vorher im Tanz mit aphrodisierenden Kräutern um die Hüfte Mut und Kraft geschöpft für so manche Aufgabe. Ebenso sollten die Blütenkränze der Mädchen heilend und stärkend wirken.

Schicken wir unser Herz hinaus, damit es Freude und Glück und reichlich Segen einhole im nun begonnenen Sommer!

Eure

Ingrid Vogel