Liebe Interessierte am Nach-Denk-Brief!
Liebe Freundinnen und Freunde!

Konvex – Konkav – Konwas?

„Ist das Mädchen brav, so ist der Bauch konkav. Hatte sie dann Sex, wird der Bauch konvex.“
Mit Eselsbrücken, die zum Schmunzeln anregen, kann man sich manche schwierige Dinge leichter merken.

Waren Sie schon mal im Spiegelkabinett? Da kann man nicht nur herzhaft lachen, sondern dies ganz leicht am eigenen Körper ausprobieren: lang – dünn, kurz – dick, oben dünn – unten dick, verzerrt, unproportio-niert…– ein Spiegel kann fast alles, wenn er entsprechend geschliffen ist. Sehr amüsant ist es, sich in sol-chen Spiegeln zu sehn, die eigene Gestalt im Wandel zu erblicken. Doch schnell kommen weitere Fragen:

Haben wir Einblick in die Realität,

zeigt der Spiegel, vorgehalten, das Abbild des Echten, des Wahren?
Oder ist doch alles nur fake, Nicht-Sein, Antibild? Denn für sich genommen, ist der Spiegel eigentlich ein Nichts – erst das Objekt davor macht ihn zum Spiegel. Der Spiegel wirft nur zurück, was vor ihn gelegt ist, das Bild ist flüchtig, vorläufig, dauernder Veränderung unterworfen. Wie der Regenbogen, der sich durch Lichtspiegelung entfaltet, ist jedes Spiegelbild: es ist eine Fata Morgana, eine Spiegelungstäuschung der Wirklichkeit und zugleich ein Einblick in die wahre Beschaffenheit: Zeigt nicht ein Spiegel immer mehr, als sichtbar ist, nämlich auch, was dahinterliegt, wo der Betrachtende gar nicht hinsieht?

Der Spiegel entlarvt, er zeigt das wahre Gesicht, er nimmt den Jugendlichkeitswahn, er ist erbarmungslos, schonungslos aufdeckend. Er entgrenzt, vergrößert, verengt, und kann den Unterschied von Urbild und Abbild verdeutlichen. Er kann die Sinne täuschen oder die Wahrheit ans Licht bringen.

Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild;

dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. 1Kor 13,12
Unsere Bibel setzt das Abbild dem Urbild nicht gleich. Gerade wenn es um die Liebe geht.
„Die Liebe stellt den Spiegel dar, der auf Gott hin ausgerichtet ist“. So schreibt die um 1207 geborene Mystikerin Mechthild von Magdeburg, und sie liebt den Spiegelvergleich: „Du bist meine Sonne, ich bin dein Spiegel“. Umgekehrt ist für sie auch Gott ein Spiegel: „Du bist mein Spiegelberg, meine Augenweide“. denn „Im Spiegel Gottes sind ja alle Dinge schön“.
„Erstens ist erforderlich, dass du nicht den Spiegel ansiehst, den Spiegel betrachtest, sondern dich selbst im Spiegel siehst“, so der dänische Theologe und Philosoph Soren Kierkegaard.

Der Spiegel ist das Abbild von uns selbst.

Die flapsig hingesagte Anweisung „schau dich doch in den Spiegel“ und die manchmal eher spöttisch gestellte Frage „kannst du dir denn noch in die Augen schaun“ – und das setzt bekanntlich einen Spiegel voraus – machen das im ganz Alltäglichen deutlich.
Wem es schwerfällt, sich in den Spiegel zu schaun, der erhält den gleichen Effekt z.B. von den eigenen Kindern, den Freunden, der Gesellschaft, der Nachbarschaft. So viele Spiegel, wie uns täglich vorgehalten werden, können einen da schon mal schwindlig machen. Doch wenn wir uns der Herausforderung stellen, gelangen wir irgendwann auf den Grund unserer Seele, unserer Selbst. „Denn alles, was in meinem Leben auftaucht, ist ein Spiegel meines Bewusstseins und zeigt mit mein eigenes Inneres“ – so lautet das einfachste Spiegelgesetz,wie diese alte Weisheit heute genannt wird..

Ein konvex-konkaves Spiegelkabinett wünsche ich uns allen zur Erheiterung, wenn sonst der Ernst des Lebens zu nahe kommt. Und vielleicht fragt ja dann jemand: „konwas“?

Eure
Ingrid Vogel