Liebe Interessierte am Nach-Denk-Brief!​​​​​
Liebe Freundinnen und Freunde!

Social oder physical – das ist hier die Frage!

Angst vor Ungewissem, das plagte Hamlet auch – und das begleitet uns nun schon drei Monate. „Die Zeit ist aus den Fugen“, so könnten wir Shakespeare weiter zitieren.

Dass es in vielen Krisen hilfreich ist, auf Distanz zu gehen, das hat wohl jeder schon aus dem Streit auf dem Schulhof mitgenommen. Die zeitweise Distanz hilft den Kontrahenten, emotional wieder herunterzukommen. Auch wenn nicht alle Konflikte durch die Zeit geheilt werden, so schaut doch jede Situation nach einigen Tagen wieder ganz anders aus. Vielleicht besteht dazwischen auch die Möglichkeit, die Dinge mit einem Außenstehenden zu bereden, neue Argumente zu sammeln, und den Blickwinkel zu verändern.

Ein gutes Beispiel ist mir z.B. Nikodemus:
Joh 3, 1 Einer von den Pharisäern war Nikodemus, ein Mitglied des jüdischen Rates. Eines Nachts kam er zu Jesus… Er geht auf Distanz zu den Pharisäerkollegen und sucht Rat bei Jesus.

2 Kor 1,4. … wenn ich viel durchstehen muss, gibt er mir immer wieder Mut. Darum kann ich auch anderen Mut machen, die Ähnliches durchstehen müssen. Ich kann sie trösten und ermutigen, wie Gott mich selbst getröstet und ermutigt hat. Auch Paulus weiß also um die Hilfe, die von außen kommt und Mut macht.

Mt 18,16 Hört er nicht auf dich, so nimm noch einen oder zwei zu dir, damit jede Sache durch zweier oder dreier Zeugen Mund bestätigt werde. Hört er auf die nicht, so sage es der Gemeinde. Im Streitfall also nicht weiterstreiten, sondern auf Abstand gehen und mit Zeugen die Sache klären, so der Rat Jesu.

Lk 9,5 Und wenn sie euch nicht aufnehmen, dann geht fort aus dieser Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen … Kehrt machen, Abstand dazwischen legen und neue Perspektive gewinnen, so könnte man diese Anweisung Jesu verstehen. Mitunter ist der Schnitt angesagt (beim Feigenbaum nach 4 Jahren).

Die ersten Anweisungen in der aktuellen Krise lauteten: social distancing hilft,

die Verbreitung des Virus einzudämmen. Menschen auf räumliche Distanz zu halten – also ein physical distancing – das ist sicher sinnvoll bei Ansteckungsgefahr – übrigens nicht nur in Coronazeiten, vielleicht auch in Grippezeiten. Aber soziale Distanz? Das wäre kontraproduktiv und absolut nicht korrekt gerade in den Zeiten, wo Menschen Hilfe und Unterstützung, seelischen Zuspruch und Vergewisserung in unsicheren Lebensphasen brauchen. Zum Glück wurde das offizielle Wording ja dann auch angepasst.

Es muss nicht immer ein Babyelefant sein, der das Maß der Distanz vorgibt.

Dieses Elefantenmosaik ziert den Boden eines Büros auf dem Piazzale delle Corporazioni von Ostia antica.
Damals musste er nicht für Abstandregeln herhalten, sondern zeigte in welchem Kontext die Geschäfte geführt wurden. (denn schließlich gehen wir nicht davon aus, dass die Römer ein Distanzmaß brauchten!)
Wir alle haben sicher schon lange gelernt: Mal wird es mehr Abstand brauchen, mal weniger, mal zeitlich, mal räumlich, mal beides. Auch das Rechtsinstrument der Wegweisung speist sich ja aus dieser Weisheit.

Die Binsenweisheit, die wir alle längst kennen: mit Abstand sieht man Dinge ganzheitlicher und im größeren Überblick. Ich kann mir die Details dann immer noch herzoomen, wenn ich es brauche!

Dass wir dennoch den Babyelefanten bald wieder im Tiergarten lassen können, wünscht sich
Eure

Ingrid Vogel