Liebe Interessierte am Nach-Denk-Brief!
Liebe Freundinnen und Freunde!

Mit dem Kopf durch die Wand – oder angepasst und schmähstad?

Gibt es da nur eine Alternative?
Immer den eigenen Willen durchsetzen, auch auf die Gefahr hin, dass wir uns dabei tüchtig die Birne anschlagen – und das ist durchaus pars pro toto gemeint. Welche Blessuren haben wir nicht schon alle abbekommen, wenn wir versucht haben, mit dem Kopf durch die Wand das Eigene zu verfolgen:
Einerseits stehen wir oft dumm da vor den anderen – die schaun dann vielleicht ängstlich oder doch eher belustigt zu. Und die spitzen Kommentare laufen meist hinter unserem Rücken. Mancher Sympathisant kann uns da blitzschnell verloren gehen. Andererseits könnte es passieren, dass wir auch bei uns selber nicht so gut ankommen. Ehrlich, haben wir nicht alle schon erlebt, dass wir uns im Hinterher bei solchen Aktionen in Grund und Boden geschämt haben. Mit Abstand sehen die Dinge eben mitunter doch noch anders aus, und dann relativiert sich unser Verhalten – auch vor uns selbst.
Eine Sache mit solcher Ernsthaftigkeit durchsetzen zu wollen, kann sogar noch beflügelt werden durch Gegenwind – wobei ich mich frage: bin ich nicht vor der Wand eigentlich im Windschatten? Und was will ich im Nebenraum? Bin ich nur erkenntnisresistent oder eher selbstgefällig?

Was ist die Alternative: Still halten, duckmäuserisch klein beigeben, Kadavergehorsam, das eigene Durchsetzungsvermögen an die Wand fahren statt des Kopfes?
Mir sind in den „Coronawochen“ Menschen beiderlei Temperaments begegnet. Die einen, die sich in die Zahl der plötzlich wie Schwammerln aus dem Boden schießenden Virenexperten eingereiht haben. Sie haben sich in das Schicksal ergeben – weil ja von den Experten so gefordert – das eigene Denken ausgeschaltet und sich maximal bemüht, immer alles noch besser zu erfüllen, die offiziellen Regeln noch enger zu fassen, und letztlich dann leider oft noch härter gegen sich selbst (und vielleicht auch gegen ihre unmittelbare Umgebung) zu sein oder gar denunzierend herumzuschnüffeln, um das eigene Verhalten in einem neuen Glanz erstrahlen zu sehen. Die anderen haben versucht, sich mit dem Kopf durch die Wand zu verrennen, die Gefahr wegzuleugnen und, zwar mit manchen Beulen am Kopf, aktiv Widerstand zu bieten auch dort, wo die Vernunft anderes geboten hätte.

Wir kennen das Gebet Jesu am Ölberg: Lk 22,43 Vater, wenn du willst, lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Doch nicht mein Wille, sondern der deine geschehe. Hier gibt sich Jesus ganz in die Hand des Vaters. Aber hat er damit nur klein beigegeben? Ich behaupte: Nein. Er war nicht der Pantoffelheld des großen Vaters. Er hat sehr wohl gekämpft. Aber er hat auch gemerkt, wann es dran ist, den eigenen Willen zurückzustecken um der Sache willen.

Es gibt nicht nur ein Hü oder Hott.

Jesus macht uns vor, dass es wichtig ist, den eigenen Standpunkt nicht zu verleugnen, das eigene Gewissen nicht an den Nagel zu hängen, und die eigene Verantwortung bis zuletzt wahrzunehmen. Er zeigt uns aber auch, dass es den Punkt geben kann, wo meine Meinung, meine Idee, und vielleicht auch meine Sturheit ein Ende haben müssen.
Ziviler Ungehorsam, bis hin zu aktivem Widerstand ist dennoch immer wieder gefragt – die Propheten geben uns da jede Menge Beispiele an die Hand. Und mitunter ist wirklich Zivilcourage gefragt, vor allem dann, wenn humane, demokratische und religiöse Werte verletzt werden.
Fürs Wegschaun gibt es keine Ausrede!

Mutiges Einstehen ohne schmerzende Kopf-Wandkontakte wünscht Euch

Eure

Ingrid Vogel