Liebe Interessierte am Nach-Denk-Brief!​​​​ ​
Liebe Freundinnen und Freunde!

Kein Jota – aber ein „R“ oder ein „S“, die geben den Ausschlag.

Was haben Kult-ur und Kult-us miteinander zu tun? Jedenfalls kommt beides von „Pflege“. Cultura, meint ursprünglich das Bebauen und Pflegen von Angebautem – wir kennen das ja auch noch, wenn wir z.B. von Obstkulturen sprechen. Und bibelkundlich Geschulte erkennen den Satz: 1.Mose 2,15 Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.
Cultus war ursprünglich die „Pflege“ der Götter, also die Verehrung. die religiöse Feier. So sprechen wir oft vom Kult und meinen eigentlich gottesdienstliches Feiern. „Die Bedeutung des Kultus für die Geschichte des Christentums kann kaum überschätzt werden“ (Karsten Lehmkühler, RGG4). „Erst durch die in Kultus und Mythos erfahrene Fülle des Seins konstituiert sich Kultur und Volkstum. Kultus und Mythos sind kulturstiftend“. (Antje Wessels, Ursprungszauber…).

Corona hat beiden übel mitgespielt.

Erst mit diesem Wochenende werden Gottesdienste wieder mit einer begrenzten Zahl an Teilnehmenden möglich. Und ebenso öffnen einige Museen, und es wurde endlich ein Fahrplan vorgestellt, wie Kulturschaffende für andere mit ihrer Kunst tätig sein dürfen.

Kultur und Kultus haben beide auch mit Spiel zu tun.

Gestern war die Rede von Atout. Heute möchte ich ein wenig weiter ausholen: Anfänglich war das Christentum als Gegenstück zur römischen Kultur von „Brot und Spiele“ eher spielfeindlich eingestellt. Der Kirchenvater Tertullian (*um 150) z.B. sagte sogar, dass Schauspielerei heidnischer Götzendienst wäre. Religiöse Spiele wurden erst im Mittelalter aufgeführt, um die Heilsgegenwart in Szene zu setzen. „Spielen gehört zu den Möglichkeiten, die Gott im Menschen angelegt hat, um die Ganzheitlichkeit des Lebens zu erfahren“ (Wolf-Withöft S., TRE u.a.)
Vor allem im Zusammenhang von schöpferischem Handeln wird in der Bibel das Spiel erwähnt – und umgekehrt sehen wir natürlich das Schaffen des Künstlers als schöpferischen Akt der Kultur: Ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern, spricht die Weisheit in Sprüche 8.
Oder im Richterbuch 5: Ihr Könige und Fürsten, hört mir zu! Dem Herrn zu Ehren will ich singen, erklingen soll mein Lied und Spiel zum Ruhm des Gottes Israels!

Es gibt also eine Kultur des Spielens und ein liturgisches, und somit kultisches Spiel.

Spielpädagogik, spielerisches Lernen ist aus dem kirchlichen Unterricht nicht wegzudenken. Bei aller Ernsthaftigkeit des Glaubens und des Kultus bleibt das Spiel immer „im Spiel“.

Dass aber Spiel als solches auch kultische Elemente beinhaltet, ist die andere Seite. Spieltempel, wie das gezeigte Kasino von Constanza, ein höchst künstlerisches Bauwerk, mit einer besonderen Kulturtradition, „Spielhöllen“ wie wir sie im Prater finden, Spielpaläste, die alle „Stückln“ spielen, geben Zeugnis davon. Und die Parallelität von Fußball und Gottesdienst wurde ja bereits mehrmals untersucht.
[… Ritual mit „Introitus“, dem Einzug ihrer Fußballgötter zur Erkennungsmelodie, dem Aufsagen der Spielpaarungen, dem Gemeinsamen-aus-dem-Sessel-Steigen nach dem Tor, der Kollekte für das Tor des Monats am Telefon, dem Abendmahl aus Bier und Chips – … Was die Emotionalisierung angeht, so schöpft der Fußball seine sakralen Komponenten erheblich effizienter aus Ulf Kulke, Welt]

Jeremia 38: Der HERR hat mir geholfen, darum wollen wir singen und spielen, solange wir leben, im Hause des HERRN!​​
Ja – so möchte ich es am liebsten auch halten!

Mit spielerischen Grüßen wünsche ich einen geruhsamen Samstag!
Eure

Ingrid Vogel