Liebe Interessierte am Nach-Denk-Brief!​​​​​
Liebe Freundinnen und Freunde!

Wer sticht wen, was ist Atout?

Das ist die Frage im Kartenspiel aber auch im realen Leben. Ich stehe heute vor der Frage: sticht der Staatsvertrag die kalte Sophie – oder sticht in diesem Jahr nicht ganz etwas anderes. Kurz zur Erläuterung:

Am 15. Mai ist der Gedenktag der um 304 geborenen Sophia von Rom.

Bei uns heißt sie eher „die böse Sophie“. Sie ist die Letzte der sogenannten „Eisheiligen“ und nach den Bauernregeln muss man nach diesem Tag nicht mehr mit Frösten rechnen. Die Gebeine der jung verstorbenen Märtyrerin ruhen z.T. in Rom und z.T. im Elsass. Oft wird sie mit sieben goldenen Krönchen dargestellt, die in Verbindung mit ihrem Namen (Sophia bedeutet Weisheit) auf die sieben Gaben des Heiligen Geistes hinweisen.

In Österreich gedenken wir in diesem Jahr an 65 Jahre Unterzeichnung des Staatsvertrages.

Der Satz Leopold Figls klingt vielen im Ohr: „Österreich ist frei!“ In einer Internetseite wird dieses Ereignis als die „zweite Befreiung“ Österreichs bezeichnet. Tatsächlich erlangt Österreich damit seine Souveränität wieder, gleichzeitig verpflichtet es sich zur immerwährenden Neutralität.

Und die 3. Befreiung?

Die erlangen wir heute in Österreich in diesem Jahr teilweise wieder – nach zwei Monaten starker Einschränkungen durch das Corona-Virus werden nun die Gasthäuser wieder geöffnet, und für uns wichtig, es dürfen wieder öffentliche Gottesdienste stattfinden.

Was ist überlebenswichtig?

Das Klima – wir spüren heuer viel Trockenheit, und sehr extreme Witterungen schon bis jetzt. Dafür steht Sophia.
Die Freiheit – auch oder gerade im staatlichen Bereich? Dafür steht der Staatsvertrag.
Oder der gelebte Glaube? Was also ist Atout? – Oder ist es das Zusammenspiel, nicht gegeneinander ausspielbar? Die Kirchen haben es nicht geschafft als systemerhaltend eingestuft zu werden, auch nicht als gesundheits- und lebensfördernd. Wir alle aber haben gemerkt, wie sehr wir vermisst wurden von all jenen, denen Glaubensfreiheit wichtig ist, Glaubensleben ganz allgemein.

Was sich beispielhaft in diesem 15. Mai zeigt, ist unser Glaubensalltag, unser Lebensalltag. Wir müssen ununterbrochen entscheiden, was ist wichtig. Wir müssen eigentlich in jedem Augenblick klar Stellung beziehen, was tue ich gerade jetzt – und warum. Wofür gebe ich Geld aus – und warum.

Die Konfis lasse ich immer in ihr Gottesdiensttagebuch einschreiben, wofür die Kollekte gesammelt wird – und wir diskutieren in dem Zusammenhang, wofür sie ihr Taschengeld ausgeben. Da gibt es große Unterschiede. So ist es auch interessant, wofür Kirche ihr Geld ausgibt. Gerade jetzt merken wir, wie die Meinungen auseinander gehen, wofür der „Staat“ – und das sind wir alle! – das Geld ausgeben sollte.
Nach meiner Erfahrung ist die schwierigste Entscheidung aber, wofür ich Zeit verwende, wem ich mich zuwende, was ich als zeitraubend erlebe, wo ich erfüllte Zeit geschenkt bekomme.

Was also ist Atout in meinem Leben?

Ist wirklich die dritte Befreiung das Wichtigste – oder fehlen da nicht noch ganz wesentliche Dinge, wie die Kultur, oder steht das Krügerl Bier tatsächlich über dem Konzert, oder gar der Fußball über einem geregelten Schulbetrieb? Bei jeder Entscheidung der Politik in diesen Tagen wird es Menschen geben, die andere Prioritäten setzen.

Im Glaubensleben wäre das eigentlich sehr einfach: Mt 6,33 lesen wir: Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.

In diesem Sinn grüßt

Euch Eure

Ingrid Vogel