Liebe Interessierte am Nach-Denk-Brief!​​​​​
Liebe Freundinnen und Freunde!

Heute ist der Gedenktag der Europäischen Union.

Viele Nüsse sind noch ungeknackt – vieles nicht geklärt in der EU, in der Coronakrise und auch in unseren Kirchen.
Nüsse gibt es also nicht nur in der Weihnachtszeit, obwohl es da so trefflich heißt: „Äpfel, Nuss und Mandelkern [fr]essen fromme Kinder gern“ (Theodor Storm, Knecht Ruprecht) – sondern auch mitten im Mai.

Nicht alles, was Nuss heißt, ist eine Nuss, und nicht alles, was nicht Nuss heißt, ist botanisch keine.

Also schon allein damit scheinen uns die Nüsse so manche Nuss zu knacken zu geben.

Auch wenn die Nuss in der Bibel selbst nicht vorkommt, so wurden schon in der jüdischen Tradition die biblischen Schriften mit einer Nuss verglichen, Dabei gelten die erwähnten historischen Tatsachen als Schale, die die Mysterien im Inneren bewahrt. Und so manche Bibelstelle ist uns wohl immer wieder wie eine hart zu knackende Nuss.
Beim Kirchenvater Augustin ist die Nuss Bild für den Menschen, denn sie bildet drei Substanzen ab: Die grüne Hülle steht hier für das Fleisch, die harte Schale für die Knochen und der Kern für die Seele.
In der Christussymbolik sah man die Schale als das Holz des Kreuzes, die Hülle als Fleisch Christi und den Kern als die göttliche Natur Christi. Das Öl des Inneren war die Quelle des Lichts.
Die Nuss gilt also oft als Symbol der Ganzheit. Aber auch als etwas, das nur mit einer gewissen Anstrengung zum Ziel führt.

„Gott gibt die Nüsse, aber er knackt sie nicht.“

Dieses alte deutsche Sprichwort wurde fälschlicher Weise Johann Wolfgang von Goethe zugeschrieben. Es appelliert an unsere Selbstverantwortung, unseren Einsatz dafür, dass etwas weitergeht.
Dies ist wohl auch eine besondere Herausforderung in jeder Gemeinschaft: schon im ganz Kleinen in der Familie, in der Partnerschaft – das haben viele jetzt in der Quarantäne noch deutlicher gemerkt als im Normalleben. Ganz besonders gilt es aber in den großen Kontexten der sozialen Gemeinschaft – jetzt gerade z.B. in all den Prozessen und Rezessen der Coronapandemie.
Und in der EU? – Da stehen wir vermutlich alle grad erst mit einem großen Nussknacker und überlegen, welche Nuss wir versuchen zu knacken, und welche wir lieber noch verschlossen lassen.

Wer sich nicht traut, die Nuss zu öffnen, erfährt nie etwas von dem wunderbaren Geschmack des Kerns,

kann nie die heilsamen Wirkstoffe genießen, und vor allem wird nie entdecken, welche Geheimnisse das Innere vielleicht noch bereithält.

Wagen wir den Aufbruch immer wieder neu, indem wir die uns geschenkten Nüsse aufbrechen!

Genießen wir die Kerne auch in den Menschen, die uns Gott an die Seite stellt!
Freuen wir uns an der Vielseitigkeit und den unterschiedlichen Geschmacksrichtungen – die Welt ist kein Nusseinerlei. Vielleicht hilft uns das, die wahren Nüsse unsres Lebens zu knacken!

Einen genussreichen und geschmackvollen Tag wünscht Euch

Eure

Ingrid Vogel