Liebe Interessierte am Nach-Denk-Brief!​​​​​​
Liebe Freundinnen und Freunde!

Der Mai ist auch der Marienmonat.

Nun haben ja wir Evangelische ein durchaus nicht eindeutiges Verhältnis zu Maria. Selbst wenn bei uns Jesus auch nicht vom Himmel gefallen ist, haben wir es doch eindeutig schwerer, von Maria zu reden.

Dargestellt wird sie weitaus am häufigsten in Zusammenhang mit der Krippe, dem Baby Jesus, oder stillend. Maria als Mutter, als die zweite Eva, als Mutter des Lebendigen – durchaus im doppelten Sinn (alles Lebendigen, und Jesus, der Auferstandene).
Eine andere beliebte Darstellung ist die sogenannte Pietà, auch Vesperbild genannt. Es zeigt Maria mit dem vom Kreuz abgenommenen Leichnam Jesu. Auch Verkündigungsdarstellungen finden sich häufig, und in der römisch katholischen Tradition sogenannte Krönungen Mariens als Himmelskönigin, die von einer Himmelfahrt Mariens ausgehen, was biblisch aber nicht belegt ist. Insgesamt ist der biblische Befund relativ schmal. Die r.k. Kirche kennt mindestens 17 Marienfeste.

​In der Offenbarung 12 lesen wir: 1 Und es erschien ein großes Zeichen im Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem ​Haupt eine Krone von zwölf Sternen. 2 Und sie war schwanger. 5 Und sie gebar
​einen Sohn, einen Knaben, der alle Völker weiden sollte mit eisernem Stabe.

​Diese Darstellungen der „Mondsichelmadonna“ greifen zurück auf den Kampf gegen das Böse und den Sieg des Lebens: davon berichtet schon das sogenannte Protevangelium in 1. Mose 3, 15 Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und
​der Frau und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf​zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen (zur Schlange gesprochen).

In der Enzyklika „Mense Maoi“ 1965 von Papst Paul VI.: „Zu Beginn des Monats Mai, den ​die Christgläubigen der Gottesmutter Maria seit langem zu weihen pflegen, jubelt unser Herz voll Freude im Gedanken an das bewegende Schauspiel von Glaube und Liebe, das sich bald zur Ehre der Himmelskönigin in der ganzen Welt darbieten wird. Es ist der Monat, in dem in den Kirchen und in der häuslichen Geborgenheit aus dem Herzen der Christen Lobgebet und Verehrung zur jungfräulichen Gottesgebärerin eifriger und inniger emporsteigen; es ist auch der Monat, in dem vom Thron unserer Mutter in Überfülle die Gaben der göttlichen Barmherzigkeit auf uns herabzuströmen pflegen.“​​​

Diese Verehrung fällt uns Evangelischen schwer.

Aber welche Maria trage ich in meinem Herzen? Was rührt mich an, wenn ich an Maria denke? Habe ich überhaupt einen Bezug zu ihr – oder ist das alles, weil „katholisch“, für mich völlig unbedeutend? Solche Gedanken kommen mir immer wieder, wenn ich mich frage, welche tiefe innige Beziehung doch unsere Schwestern und Brüder in der Ökumene zur Mutter Jesu haben. (Besonders auch in der Orthodoxie hat ja Maria einen hohen Stellenwert.)

Meine Mutter schenkte mir, als ich vier Jahre alt war, ein kleines Madonnenbüchlein mit den bekanntesten Mariendarstellungen aus der Kunstgeschichte. Ich kannte sie alle, und sie waren mir jede in ihrer Art lieb geworden. Doch die Kunstgeschichte ist nicht ident mit der Spiritualität und dem Glauben. Auf dieser Ebene hab ich persönlich kaum Zugang zu der Frau aller Frauen gefunden.
Aber im Mai, als Monat der Liebe und des Lebens, der Mutter und der Achtung vor dem Leben – darf ich immer wieder voll Freude dankbar sein für alles Lebendige, und vor allem für mein eigenes Leben.
In diesem Sinne grüße ich alle
Eure

Ingrid Vogel