Liebe Interessierte am Fasten!
Liebe Freundinnen und Freunde!

Herzlich willkommen – inzwischen ist unser achter Fasttag!

Großartig! Ihr seid alle so motiviert. Das macht richtig Spaß!
Ich hoffe, Euch auch – noch?

Gehe in  d e m  Schritt, den du zu bewältigen vermagst,
und der dir angemessen erscheint.
Nur  e r  wirkt natürlich.                  Klaus Huber

In dem Spiritletter, den ich täglich bekomme, war das der gestrige Beitrag. Das gilt natürlich ganz besonders auch für das Tempo und die Art des Fastens. Nur wer tut, was zu ihm/ihr passt, bleibt mit sich selbst kongruent.

Vielleicht kennt Ihrdie chassidische Geschichte von Sussja,dem großen Rabbi:
An seinem Ende fragten ihn seine Schüler: »Rabbi, warum bist du so traurig?« Und Sussja sagte: »Ich habe mich mein ganzes Leben lang immer mit anderen verglichen. Aber in der kommenden Welt wird man mich nicht fragen: Warum bist du nicht Mosche gewesen? Man wird mich auch nicht fragen: Warum bist du nicht David gewesen? Man wird mich fragen: Warum bist du nicht Sussja gewesen?«

Die Tage des Fastens lassen uns immer wieder Zeit und Raum zum Nachdenken, zum Wahrnehmen, zum Prüfen und zum Hineinspüren. Wer bin ich, wer will ich sein, wer kann ich sein.Diese Erkenntnisse können uns vielleicht nachhaltig helfen, mit der Eigen- und der Fremdwahrnehmung besser umgehen zu lernen – und vor allem auch nach Corona mit mehr Freude in die neue Freiheit zu starten.

Jahwe hat es uns vorgemacht: er versucht Mose seine Identität zu offenbaren. Mose steht vor dem brennenden Dornbusch, und (2. Mose 3), 13 Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt!, und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen? 14 Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: »Ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt.

Mehr braucht es nicht zur eigenen Identität: Ich bin, der ich bin; ich werde sein, der ich sein werde.
Genau zu dieser Klarheit dürfen wir im Fasten kommen. 
Vielleicht kennt Ihr ja auch Dietrich Bonhoeffer (+ 9.4.1945) aus dem Gefängnis – es ist einer meiner Lieblingstexte. Er fragt sich, wer bin ich?

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest
Wie ein Gutsherr aus seinem Schloss.

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig, lächelnd und stolz,
wie einer der Siegen gewohnt ist.

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur, was ich selbst von mir weiß?
Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge,
ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?

Wer bin ich? Der oder jener?
Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer?
Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler
und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?
Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,
das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott,
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott.

Ich wünsche uns allen einen erkenntnisreichen Samstag! – Vergesst nicht, morgen die Uhren umzustellen!

Liebe Grüße 
Eure 

Ingrid Vogel